BYK Logo

01

Was ist Schaum?

Schaum ist im Lack immer unerwünscht. Schaum kann bereits bei der Lackherstellung auftreten und dazu führen, dass die Produktionsbehälter nicht optimal gefüllt werden können, er kann beim Abfüllen der Lacke in das Gebinde stören oder aber – und hier treten die meisten Probleme auf – bei der Applikation des Lackes Oberflächenstörungen verursachen. Der Schaum wirkt dann nicht nur optisch als Störung, sondern vermindert auch die Schutzfunktion der Beschichtung. Aus diesen Gründen ist in den meisten Lacksystemen ein Entschäumer fester Bestandteil der Formulierung. 

Praktisch alle Komponenten in der Lackrezeptur können das Schaumverhalten in positiver oder negativer Weise beeinflussen. Außerdem haben der Lackuntergrund und die Auftragweise ebenfalls Einfluss auf das Schaumverhalten. Ein Lack kann nicht „generell“ entschäumt werden: Bei einer Spritzapplikation beispielsweise ist die Lackoberfläche in Ordnung, beim Einsatz des gleichen Lacksystems auf einer Gießmaschine können Schaumprobleme auftreten.

Da wir unsere Betrachtungen auf Lacke beschränken, haben wir es nur mit flüssigen Schäumen zu tun und diese sind definiert als feine Verteilung eines Gases (in der Regel Luft) in einer Flüssigkeit. Charakteristisches Merkmal eines solchen Schaumes gegenüber anderen physikalischen Zuständen ist die extrem große Grenzfläche zwischen dem Gas und der Flüssigkeit, die als Lamelle die Gasblasen voneinander trennt. Jede Flüssigkeit ist aus energetischen Gründen bestrebt, ihre Oberfläche so klein wie möglich zu halten, d.h., ein Schaum stellt gegenüber der flüssigen Phase immer einen Zustand höherer Energie dar und wird erst durch schaumstabilisierende Effekte ermöglicht. Direkt nach ihrer Entstehung steigen die Gasblasen in der flüssigen Phase nach oben in die Oberfläche. Nach dem Gesetz von Stokes ist die Aufstiegsgeschwindigkeit v vom Radius r der Blasen und der Viskosität η der Flüssigkeit abhängig.

Gesetz von Stokes

Drainage-Effekt

Wenn die Gasblase die Oberfläche erreicht hat, fließt aus der Schaumlamelle, d.h. dem dünnen Flüssigkeitsfilm um die Gasblase herum, Flüssigkeit nach unten ab (Drainage-Effekt): Die Lamelle wird immer dünner und unterhalb einer Dicke von ca. 10 nm reißt die Lamelle und die Schaumblase platzt auf. Wenn die Vorgänge in der beschriebenen Form ablaufen, gibt es kein Schaumproblem, da gar keine stabilen Schaumblasen entstehen; dies ist beispielsweise in reinen Flüssigkeiten der Fall: Reine Flüssigkeiten schäumen daher nicht.

Damit stabile Schaumblasen entstehen können, müssen schaumstabilisierende Substanzen in der flüssigen Phase vorhanden sein. Ganz allgemein sind dies grenzflächenaktive Substanzen (Tenside), die dadurch charakterisiert sind, dass sie hydrophobe und hydrophile chemische Gruppierungen im Molekül enthalten. Aufgrund dieser Struktur orientieren sie sich in der Grenzfläche flüssig/gasförmig, reduzieren die Grenzflächenspannung und schaffen dadurch die Voraussetzungen für einen stabilen Schaum. Jede Lackformulierung (ob wässerig, lösemittelfrei oder mit organischen Lösemitteln) enthält eine Vielzahl solcher oberflächenaktiver Substanzen unterschiedlichster Chemie und Herkunft und daher ist im Pinzip in jedem Lacksystem mit Schaumbildung zu rechnen.

Betrachtet man die Lebensgeschichte eines Schaumes, so stellt man fest, dass er im Laufe der Zeit wegen des beschriebenen Drainage-Effektes Flüssigkeit verliert und dadurch seine Struktur ändert. Kurz nach seiner Entstehung ist ein Schaum dadurch gekennzeichnet, dass er noch relativ viel Flüssigkeit enthält; man nennt einen solchen Schaum daher auch „nassen Schaum“ oder „Kugelschaum“, weil die Gasblasen noch kugelförmig sind und sich kaum gegenseitig deformieren. Aus den Schaumlamellen fließt nun die Flüssigkeit, ab (Drainage-Effekt), die Lamellen werden dünner, die Gasblasen rücken dichter zusammen, deformieren sich gegenseitig und werden zu Polyedern (Vielflächnern). Dieser Schaum wird jetzt als „trockener“ oder „Polyederschaum“ bezeichnet.

Nasser und trockener Schaum

Dieser Drainage-Effekt würde, da die Schaumlamellen immer dünner werden, zum Zusammenbrechen des Schaumes führen, wenn nicht gegenläufige Effekte aufträten. Einer dieser Effekte resultiert aus der chemischen Struktur der schaumstabilisierenden Substanzen, der Tenside. In wässrigen Systemen sind die hydrophilen Gruppen ionisch aufgebaut. Die beiden mit Tensiden belegten Grenzflächen einer Schaumlamelle kommen sich beim Abfließen der Flüssigkeit immer näher, bis es schließlich über die Lamelle hinweg zu Wechselwirkungen kommt: Die gleichnamigen elektrischen Ladungen stoßen sich gegenseitig ab, das weitere Austrocknen und damit das Zusammenbrechen des Schaumes wird durch die elektrostatische Abstoßung zwischen den Tensidmolekülen gestoppt.

Schaumstabilisierung

Schaumstabilisierung durch Tenside

Ein weiterer stabilisierender Effekt ist durch die Elastizität der Schaumlamelle gegeben. Dehnt man die Lamelle um einen geringen Betrag, so bewirkt diese Dehnung eine Abnahme der Tensidkonzentration in den Grenzflächen des gedehnten Bereichs, da die gleiche Anzahl von Tensidmolekülen jetzt auf einer größeren Fläche verteilt ist. Eine Senkung der Tensidkonzentration an der Oberfläche führt jedoch zu einer Erhöhung der Oberflächenspannung, die wiederum die Lamelle wieder in den energetisch günstigen Zustand zurückzieht: Dieser Unterschied der Oberflächenspannung (γ) wird vom System dadurch ausgeglichen, dass ein Gemisch aus Wasser und Tensid von dem Körper und der Oberfläche der Lamelle in den zuvor gestreckten Bereich der Lamelle abgeführt wird. Dieser besondere schaumstabilisierende Effekt wird als Gibbs-Marangoni-Effekt bezeichnet.